Meike Lalowski
16.04.2004, 10:27
Die Frauen um Jesus – mehrere Geschichten für sich.
So wird es erzählt: von all den vielen Anhängern und auch den engen Jüngern begleiteten genau drei die Kreuzigung: Maria, Maria Magdalena und Johannes. Alle drei haben dann ihre Folgegeschichten bekommen, wobei die Gottesmutter herausragt. Sie hat ihre eigene Himmelsfahrt und ihren weltweit anerkannten Platz als heilige Instanz (der dann auch sehr viel aberkennende Zweifel und Abwehr mit sich bringt).
Nun, die Treue der Mutter, die aus ihrer EinSicht der Dinge in Hingabe und Liebe die Entscheidung Jesu mitträgt, zeigt tiefes Gottvertrauen und tiefes Kindvertrauen. Daraus scheint sie die Kraft zu schöpfen, ihn während seiner Folter und Hinrichtung zu begleiten. Sie verliert in ihrem Schmerz die Liebe nicht und wird in Folge übergreifend die Gnade verkörpern für alle gekreuzigten Kinder dieser Welt - übrigens wunderschön zu sehen in der Pieta von Michelangelo.
Weder versinkt sie in Selbstmitleid oder Hilflosigkeit noch wird sie zur Löwin, die im weltlichen Sinn um ihren Sohn kämpft – welch Herausforderung für uns Mütter dieser Welt! Sie zeigt, dass wir unsere Kinder in ihre Kreuzigung entlassen müssen. Und können. Sie symbolisiert eine Kraft, die sehr tief verstanden sein will.
Anders die Maria Magdalena. Grundsätzlich umstrittener und unklarer in ihrer Geschichte findet sie nach der Kreuzigung nur noch Erwähnung als die Erste, die Jesus begegnet, wiedererkennt und seine Auferstehung verkündet. Das ist nicht gerade wenig. Danach aber niente, keine Erwähnung ihres weiteres Lebensweges oder einer möglichen Himmelfahrt oder eines Evangeliums (das übrigens Marianne Frediksson in dem wundervoll menschlichen Roman über Maria Magdalena verwendet). Sie verschwindet im Unsichtbaren.
Darum wohl hat sie in meinem Herzen einen sehr großen Platz. Ich fühle ihren Kampf der Entrüstung, des Zweifels, des Haderns. Wenn ich sie vor mir sehe, sehe ich sie als Geliebte Jesu. Ganz Frau an der Seite eines Mannes. Ich kann den geheimen Überlieferungen Glauben schenken, dass sie Kinder hatten, die im autorisierten Kanon nie Erwähnung fanden. Ich finde die Gefühle einer Frau, die ihre Lebensliebe an eine religiöse Grundaussage verliert, bestenfalls in sie hineinwächst indem sie über sie hinauswächst. Ich spüre ihre Verzweiflung, ihre Wut, ihre Einsamkeit. Ihre übermenschliche Größe, den Geliebten bei seiner Kreuzigung zu begleiten. Ihren Kampf, Gottvertrauen und Hingabe an die Notwendigkeit dieser Inszenierung über ihre Beziehung zu stellen. Wir wissen nicht, ob ihr Verlieren ein Gewinnen wurde – ihre offizielle Geschichte endet vorher.
Aber sie beschäftigt uns: Wie auch immer die Geschichten um sie mit der Geschichte spielen, auch die verborgenen Varianten, dass der historische Jesus die Kreuzigung überlebt hat und dann nach Indien ging (und möglicherweise dort auch noch mehrere Kinder in die Welt setzte) ändern nichts an der Wirkung für Maria Magdalena. Sie verliert ihn als Mann. Wir wissen nicht, ob es stimmt, dass sie mit ihren Kindern in Sicherheit floh, auch in die Sicherheit der Anonymität. Übrigens eine eindrucksvolle Variante der Liebe.
Wir wissen nicht, ob sie so überlebte, wie Luise Rinser es in dem faszinierenden Roman "Mirjam" beschreibt. Maria Magdalena kämpft allein in einer Felsenhöhle eine permanenten SelbstAuseinanderSetzung - ein einsamer Kampf: kein heiliges Einverstandensein, sondern Verzweiflung, Liebe ohne Raum, unfreiwillige Notwendigkeit einer Hingabe – eben keine gotterfüllte Klarheit und Eindeutigkeit einer Mutter Maria. Wie menschlich, wie wunderbar menschlich. Welch Spiegel für uns, ich liebe diese Frau und ihre Geschichten und ihre Zumutungen!
Meike Lalowski
Dieses Topic ist entstanden aus der Diskussion um den Mel Gibson Film (http://www.meike-lalowski.de/ubb/Forum1/HTML/000084.html). Maria und Maria Magdalena sind eindrucksvoll betont in ihrem Mitgefühl und ihrer Bereitschaft, Jesus zu begleiten.
[This message has been edited by Meike Lalowski (edited 29 April 2004).]
So wird es erzählt: von all den vielen Anhängern und auch den engen Jüngern begleiteten genau drei die Kreuzigung: Maria, Maria Magdalena und Johannes. Alle drei haben dann ihre Folgegeschichten bekommen, wobei die Gottesmutter herausragt. Sie hat ihre eigene Himmelsfahrt und ihren weltweit anerkannten Platz als heilige Instanz (der dann auch sehr viel aberkennende Zweifel und Abwehr mit sich bringt).
Nun, die Treue der Mutter, die aus ihrer EinSicht der Dinge in Hingabe und Liebe die Entscheidung Jesu mitträgt, zeigt tiefes Gottvertrauen und tiefes Kindvertrauen. Daraus scheint sie die Kraft zu schöpfen, ihn während seiner Folter und Hinrichtung zu begleiten. Sie verliert in ihrem Schmerz die Liebe nicht und wird in Folge übergreifend die Gnade verkörpern für alle gekreuzigten Kinder dieser Welt - übrigens wunderschön zu sehen in der Pieta von Michelangelo.
Weder versinkt sie in Selbstmitleid oder Hilflosigkeit noch wird sie zur Löwin, die im weltlichen Sinn um ihren Sohn kämpft – welch Herausforderung für uns Mütter dieser Welt! Sie zeigt, dass wir unsere Kinder in ihre Kreuzigung entlassen müssen. Und können. Sie symbolisiert eine Kraft, die sehr tief verstanden sein will.
Anders die Maria Magdalena. Grundsätzlich umstrittener und unklarer in ihrer Geschichte findet sie nach der Kreuzigung nur noch Erwähnung als die Erste, die Jesus begegnet, wiedererkennt und seine Auferstehung verkündet. Das ist nicht gerade wenig. Danach aber niente, keine Erwähnung ihres weiteres Lebensweges oder einer möglichen Himmelfahrt oder eines Evangeliums (das übrigens Marianne Frediksson in dem wundervoll menschlichen Roman über Maria Magdalena verwendet). Sie verschwindet im Unsichtbaren.
Darum wohl hat sie in meinem Herzen einen sehr großen Platz. Ich fühle ihren Kampf der Entrüstung, des Zweifels, des Haderns. Wenn ich sie vor mir sehe, sehe ich sie als Geliebte Jesu. Ganz Frau an der Seite eines Mannes. Ich kann den geheimen Überlieferungen Glauben schenken, dass sie Kinder hatten, die im autorisierten Kanon nie Erwähnung fanden. Ich finde die Gefühle einer Frau, die ihre Lebensliebe an eine religiöse Grundaussage verliert, bestenfalls in sie hineinwächst indem sie über sie hinauswächst. Ich spüre ihre Verzweiflung, ihre Wut, ihre Einsamkeit. Ihre übermenschliche Größe, den Geliebten bei seiner Kreuzigung zu begleiten. Ihren Kampf, Gottvertrauen und Hingabe an die Notwendigkeit dieser Inszenierung über ihre Beziehung zu stellen. Wir wissen nicht, ob ihr Verlieren ein Gewinnen wurde – ihre offizielle Geschichte endet vorher.
Aber sie beschäftigt uns: Wie auch immer die Geschichten um sie mit der Geschichte spielen, auch die verborgenen Varianten, dass der historische Jesus die Kreuzigung überlebt hat und dann nach Indien ging (und möglicherweise dort auch noch mehrere Kinder in die Welt setzte) ändern nichts an der Wirkung für Maria Magdalena. Sie verliert ihn als Mann. Wir wissen nicht, ob es stimmt, dass sie mit ihren Kindern in Sicherheit floh, auch in die Sicherheit der Anonymität. Übrigens eine eindrucksvolle Variante der Liebe.
Wir wissen nicht, ob sie so überlebte, wie Luise Rinser es in dem faszinierenden Roman "Mirjam" beschreibt. Maria Magdalena kämpft allein in einer Felsenhöhle eine permanenten SelbstAuseinanderSetzung - ein einsamer Kampf: kein heiliges Einverstandensein, sondern Verzweiflung, Liebe ohne Raum, unfreiwillige Notwendigkeit einer Hingabe – eben keine gotterfüllte Klarheit und Eindeutigkeit einer Mutter Maria. Wie menschlich, wie wunderbar menschlich. Welch Spiegel für uns, ich liebe diese Frau und ihre Geschichten und ihre Zumutungen!
Meike Lalowski
Dieses Topic ist entstanden aus der Diskussion um den Mel Gibson Film (http://www.meike-lalowski.de/ubb/Forum1/HTML/000084.html). Maria und Maria Magdalena sind eindrucksvoll betont in ihrem Mitgefühl und ihrer Bereitschaft, Jesus zu begleiten.
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