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Alt 16.08.2004, 15:11   #8
Iris
Gast
 
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Paul saß im Büro seines Freundes, eine Tasse Kaffee in der Hand. Er genoß den Duft des heißen Getränks und spürte wie die Flüssigkeit seine Kehle herunterfloß.
Juan Alvarez war sein Freund - und Anwalt.
"Juan, versteh doch," setzte Paul an. "Ich muß einfach wissen, was mit Jamie los war, warum er das getan hat. Er hätte sich nie einfach so umgebracht. Du weißt, wie sehr wir drei nach Lisa's Tod zusammengehalten haben. Wir hatten doch nur uns. Nicht einmal Ana gegenüber hat er irgendeine Andeutung gemacht und Du weißt, wie eng die beiden Geschwister immer zusammenhielten."
"Wie steckt Ana den Freitod ihres Bruders weg?"
"Nun, sie will nicht glauben, daß es Selbstmord war. Sie wühlt in seinen Unterlagen herum, sucht nach irgendeiner Spur..."
"Wie der Vater," meinte Juan mitfühlend.
"Es macht die Sache etwas einfacher", meinte Paul. "Man hat etwas zu tun, eine Aufgabe: Die Suche nach dem Warum."
"Dadurch kommt er auch nicht wieder. Was willst Du Rache? Einen Schuldigen? Paul!!!"

"Ich ersticke an meinen Gefühlen, Juan. Ich kann nicht weinen, ich fühle mich wie tot."

Die beiden Männer schwiegen. Große Worte waren nicht ihr Ding. Sie verstanden sich auch so. Juan dachte, es wäre gut für seinen Freund, wenn es eine neue Frau in seinem Leben geben würde. Nach Lisa hatte er sich nie näher auf jemanden eingelassen. Ein paar oberflächliche Flirts, das war's.

"Ich gebe Dir die Adresse von einem Privatdetektiv. Vielleicht kann er Dir weiterhelfen. In Ordnung?" Juan reichte Paul die Visitenkarte. "Du, Paul," fuhr er fort. "Gibt es eigentlich eine Frau in Deinem Leben, was Ernstes, meine ich?"
Irgend etwas an der Reaktion seines Freundes ließ Juan wissen, daß es da jemanden gab.
"Aha - nun erzähl schon."
Und Paul erzählte, von der wunderbaren Frau, die auf dem Heimflug nach Rio neben ihm im Flieger saß. Seine Augen erwachten zu neuem Leben, als er sie beschrieb und die Stunden im Flugzeug wiedergab. Ihre Augen und ihr Lächeln verfolgten ihn bis in den Schlaf.
"Ich fühle mich wie ein verliebter Teenager, kannst Du Dir das vorstellen? Übrigens, sie heißt Silivia," schloß er seine Erzählung.
"Und, hast Du sie schon wiedergesehen?"
"Nein"
"Nein?"
"Nein."
"Hör mal. Wenn ich richtig zugehört habe, schimmerte in Deinen Beschreibungen gerade durch, daß Du Deiner absoluten Traumfrau begegnet bist, und Du läßt sie einfach so davonziehen. Dir ist nicht mehr zu helfen," meinte Juan fassungslos.
"Ich weiß, in welchem Hotel sie ist..."
"Und da wartest Du noch. Hin da! Und ich werfe Dich jetz raus. Ich habe noch zu tun!"
Juan schob seinen Freund energisch zur Tür.
Paul wußte das Juan recht hatte. Er wollte wieder fühlen, wieder lieben - endlich wieder lieben, auch wenn das vielleicht wieder Schmerz bedeuten würde.
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