Thema: Hilfe!
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Alt 05.02.2006, 12:29   #4
Anja
Gast
 
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Liebe Meike,
liebe Sabine,

danke für Eure Mut-machenden Rückmeldungen. Nach einer anstrengenden Nacht mit viel Tönen und Weinen habe ich endlich den inneren Schweinehund an die Leine bekommen und traue mich wieder ins Forum.

Mit meiner Schwester hatte ich in dieser Woche ein tolles Gespräch. Sie lag im Krankenhaus und startete den letzten Zyklus ihrer Chemotherapie. Auf Meike's Empfehlung hin habe ich ihr das Buch "Mama hat Krebs" mitgebracht. Fast hätte ich einen Rückzieher gemacht, obwohl ich das Buch schon hatte. Die Therapie ist fast vorbei, meine Schwester liest nicht gern und meine jüngere Schwester war auch noch anwesend - das alles waren Gründe für mich, es ihr nicht zu schenken. Ich wollte nicht die "Klugscheißerin" sein, die wieder alles besser weiß. Und doch habe ich mich getraut und bin stolz auf mich. Meine jüngere Schwester kam natürlich gleich wieder mit einem blöden Kommentar. Sowieso hätte ich sie an diesem Abend erwürgen können.

Ich war vorher bei ihr zu Hause um die Kinder zu besuchen. Als sie hörte, dass ich auch noch ins Krankenhaus wollte, machte sie mir einen Vorwurf, denn sie wollte selbst noch hin. Geht ja auch nicht, dass wir gemeinsam da sind!? Die spinnt ja wohl!!! Sie ist dann auf jeden Fall sofort hingefahren und ich habe noch die Kinder von meiner älteren Schwester ins Bett gebracht. Das war schön!

Nachdem meine jüngere Schwester dann das Krankenhaus verlassen hatte, haben Birgit und ich uns über ihre Kinder unterhalten. Ihr Sohn ist sehr "auffällig" in Form von Wut und Agressionen schon vor ihrer Erkrankung: Bei der Überlegung woran das liegen könnte, habe ich anhand unserer Geschwistersituaion versucht zu erklären, wie sich jeder eine Rolle sucht, um seinem Ziel nach Aufmerksamkeit näher zu kommen: Birgit die Fleißige, der früh viel Verantwortung zugeteilt wurde; Heiko der einzige Sohn und somit die Rolle des Hofnachfolgers; Kerstin die Kleine, die sich alles erlauben durfte und aus meiner Sicht blieb mir dann nur die Rebellin.

Wut und Auseinandersetzungen gehörten zu meiner Jugend. Eigentlich ein ganz normales Verhalten für eine Heranwachsende fällt mir gerade auf. Aber so habe ich das nie gesehen. Noch heute empfinde ich mich als Störenfried in dieser Familie.

Die Bemerkung meiner Schwester hat mich allerdings nachdenklich gemacht. Sie sagte, dass es für mich sicherlich gut war, die Rebellin zu sein, denn so kann ich es mir heute auch noch erlauben, etwas zu sagen. Wenn sie eine andere Meinung als mein Vater hat, trägt er ihr dieses lange nach und sie leidet darunter. Wenn ich etwas sage, denken alle, so ist sie eben, die Anja. Das ich aber genau darunter leide, sieht sie nicht.

Birgit ist der Meinung, dass ich mir bei meinen Eltern alles erlauben kann. Ha, und ich bin der Meinung, dass Kerstin, die jüngste sich alles erlauben kann. Endlich habe ich mal eine Ahnung davon, warum ich meinen Schwestern nicht näher komme. Das Gefühl, dass sie neidisch auf mich sind hatte ich schon länger, aber ich konnte es mir nie erklären. Gleichzeitig bin ich neidisch auf den guten Kontakt, den meine Schwestern miteinander haben. Ist doch irre, oder? Da neiden wir so vor uns hin, statt uns zu lieben und zu unterstützen.

Mir hat das Gespräch mit meiner Schwester sehr gut getan und die Gedanken jetzt noch mal hier niederzuschreiben ist einfach großartig. Ich werde jetzt die Leine meines Schweinehundes nochmal prüfen und ihn mit Streicheleinheiten beruhigen.

Bis zum nächsten Mal!
Herzliche Grüße
Anja
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