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Alt 28.02.2003, 10:47   #1
Meike Lalowski
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Meike Lalowski befindet sich auf einem aufstrebenden Ast
Daumen hoch

Frau Dische läßt ihren Helden seine Geschichte erzählen (wem, verrate ich nicht, ist aber wunderschön!) und die ist wahrlich

erstens eine Lebenslösung: Ein gefürchteter Auftragskiller aus Istanbul findet in New York durch seine Begegnung mit einer leicht verrückten alten Lady zurück in tiefe Berührbarkeit und ein versöhntes Menschsein. So gilt

zweitens der Untertitel „Kriminalroman“ genau andersherum : Hier geschieht nicht ein Mord, sondern ein geplanter Mord findet nicht statt.

Drittens ist es ein Märchen : alles geht gut aus - supergut aus, als American Dream vom sauberen Leben, aber so charmant und liebevoll verpackt, dass es anrührt wie „Grüne Tomaten“ oder „Magnolien aus Stahl“ oder „Chocolat“ ... Dass ich hier lauter Filme aufzähle ist Absicht, denn

viertens handelt es sich um ein überarbeitetes Drehbuch, welches Irene Dische mit einer kurdischen Co-Autorin gschrieben hat. Und so macht dieser kleine Roman wirklich Kino im Kopf. Hinreißende Bilder, klare szenische Abläufe und dazu Situationskomik vom Feinsten.

Dieses Buch vorzustellen, das durchaus von seiner Spannung lebt, ist eine gewisse Gradwanderung. Zum einen will ich nichts vorwegnehmen, da es eben doch auch ein Krimi ist. Zum anderen hat es neben diesem literarisch ausgefeilten schwarzen Humor und seiner tiefen Zärtlichkeit zum Helden eine sehr ernste und sehr aktuelle Seite.

Unser Killer, „Schwarzer Stein“ genannt , begann seine Karriere nämlich als Sechsjähriger, ausgelöst durch die tiefen traumatischen Erlebnisse eines kurdischen Kindes, das alles miterleben mußte, was eine terroristische Diktatur Menschen antun kann. Die türkische Besatzung mordet, foltert, demütigt und entwurzelt, das Kind rettet sich in Erstarrung und eine Auftrags-Rächer-Identität ohne Gefühle. (Interessant: der Gegenspieler ist ein überbordender Fundamentalist und Ideologe – eine andere Variante zu überleben, wobei dieser Mann bei weitem nicht solchen Greueln ausgesetzt war).

Alle Szenen sind eindrucksvoll placiert, Schrecken, Slapstick, Wehmut, Happy End und eben einfach diese den "Schwarzen Stein" weichliebende Begegnung mit Mrs. Allan geben einen Spannungsrahmen ab, der hochgradig viel abverlangt.

Aber auch viel berührt. Und die Terrorismusdiskussion ist mehr als klug begleitet: voller Liebe zu den Menschen, die uns konfrontieren mit den Folgen unserer aus der Angst geborenen "Unmenschlichkeit", die zutiefst menschlich ist.


Irene Dische: „Ein Job“ – erschienen bei dtv - kostet 8,50 Euro.


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Meike Lalowski




[This message has been edited by Meike Lalowski (edited 28 February 2003).]
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