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Alt 14.01.2005, 13:26   #7
Florian
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Florian
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Ich stimme Meike vollkommen zu: Wissen - das immer Ego-Wissen bleibt, wie sie zu Recht sagt - löscht keine Schmerzen aus, tilgt keine Hilflosigkeit, vermindert nicht die Sehnsucht.

Und den "Grund" der Welt werden wir nie "wissen" können - die Grund-Frage aller Wissenssuchenden: warum gibt es ETWAS und nicht viel mehr nichts? - unbeantwortbar. Viele sahen das, Karl "bürstet" uns Wissenssuchenden auf seine Weise ab, Meike wies zu Recht wieder einmal darauf hin.

EINE Deutung des Weltenursprungs, die Schöpfungsgeschichte der Bibel, sagt viel über die Genesis der Welt, aber WARUM "Gott" die "Welt" schuf, sagt sie nicht.

Die Wahrheit, um diesen überstrapazierten Kolossalbegriff hier zu gebrauchen, ist das Weisse in der Mitte der Farbrose. Also das, wo im bunten Wirbel der Farben "nichts" ist, das, was wir nicht sehen können, weil wir nie das Licht selbst sehen können, sondern immer nur der Widerschein der farbigen Dinge der Welt, aus denen uns das Licht zurückscheint - als Farben.

Unser Streben nach Wissen wird nie den Sinn der Welt erfahren, denn sie ist sinnlos. Die Sinnlosigkeit der Veranstaltung, die wir "Welt" nennen, auszuhalten ist das Schwerste.

Religionen und Ideologien entstanden, um den Menschen Deutungsmuster für dieses sinnlose Weltspiel zu geben. Schmerz ist viel, viel leichter zu tragen, wenn wir ihn für sinnvoll halten, etwa, weil ein zürnender oder uns prüfen wollender Gott ihn über uns gebracht hat. Die Kehrseite solcher entlastend wirkenden Hilfskostrukte ist, dass sie uns unsere Freiheit nehmen.

Dennoch ist Wissen nicht umsonst oder unnütz. Wir Menschen sind mit der Fähigkeit ausgestattet, Fragen zu stellen. Es gibt ein Wissen, das ich "Einsicht" nennen möchte, und das uns helfen kann, frei zu werden.

Meike sprach vom Schmerz, die Kinder in ihre Kreuzigung zu entlassen. Ich erlebe derzeit diesen Schmerz hautnah an meinem Sohn. Aber die Einsicht, dass dies SO SEIN MUSS, dass es ein "Gesetz des Lebens" ist, Kinder auf ihren eigenen Weg zu entlassen, hilft mir, mich von diesem Schmerz nicht niederzwingen zu lassen (ich übertreibe ein wenig, so gross ist er nun auch wieder nicht ...).

Wir spielen das Spiegelspiel: die Welt spiegelt uns immer nur uns selbst. Welt geschieht von innen nach aussen; wenn wir die Welt für schrecklich halten, weil hunderttausende von Menschen in einer Flutwelle starben, werden wir sie auch nur als schrecklich erfahren. Wenn wir verzweifelt nach dem Sinn eines solchen ungeheuren Geschehens suchen und frustriert mit leeren Händen von unserer Suche zurückkehren, stehen wir in der Gefahr, in Depressionen zu versinken. Wir mögen dann unser ureigenstes Lebensprinzip verkennen: dass wir die unermessliche Kreativität in uns haben, unsere Welt zu gestalten.

Besonders deutlich erfahre ich das, wenn ich Marenas Kinder beim Spiel beobachte: sie bauen mit ihren Klötzen eine Welt, tauchen in sie ein, erfahren und spiegeln sich in dieser, und - husch - zerstören sie diese wieder, damit Raum wird für ein neues Spiel. Das ist Welt.

Deshalb sagte Heraklit, der früheste Denker des Abendlands, der die Frage nach dem Sinn der Welt zu Gesicht bekam: "Die Welt - ein spielendes Kind".

Liebe Grüsse von Süd nach Nord,


Florian

[This message has been edited by Florian (edited 14 January 2005).]
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