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Alt 10.07.2003, 13:45   #1
Meike Lalowski
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Meike Lalowski befindet sich auf einem aufstrebenden Ast
Idee

Dieser eine Moment vorne auf dem Fahrrad des Vaters, rechts und links die starken Arme, neben den eigenen kleinen Händen die Pranken von einem, der stärker ist als alle, sogar als Gott, jawohl!, dieser eine Moment ist einer der absoluten Sicherheit ...

Maarten 't Hart beschwört ihn in dieser wunderschönen und sehr poetischen Erzählung, um seinen Platz zu finden, nachdem der Vater gestorben ist.

Nun ist niemand mehr zwischen ihm und dem Tod.

Und um den Tod geht es genauso wie um Gott. Denn der kleine Maarten bekam eine große unbestimmte Angst, damals, als er das erste Mal in seinem Leben begreifen mußte, dass auch er sterben wird. Und er lief den ganzen langen Weg über den Deich zu seinem Vater, aus einer Sehnsucht heraus, die gar nicht verstanden sein konnte.

Wenn t`Hart uns mit dem kleinen Jungen über den Deich laufen läßt, nimmt er uns gleichsam berührend wie präzise mitten hinein in die Ängste eines Kinderherzens.

Nichts stimmte mehr. Sterben ist doch anders als in der Kinderbibelstunde gelernt: stimmt ja nicht, dass wir nur von dem Herrn Jesus heil und mit all den Lieben, die zu uns gehören, auf eine Wolke gehoben werden. Der Körper kommt in die Erde, übrig bleiben Knochen. Und Gott, bietet der wirklich Schutz? Wo doch die Bibel erzählt, dass einer wie Henoch hinweggehoben wird, weil er mit Gott wandelt ... ?

Der Kopf des kleinen Jungen ist schier überfordert. Heißt mit Gott wandeln Hinweggenommenwerden und Hinweggenommenwerden Sterben? Und wandelt man mit Gott, weil man ihn liebt? So liebt, wie es auch gelehrt wird: Du sollst Gott mehr lieben als Vater und Mutter ... ?

Und trotz aller Raffinesse, Gott zu beteuern, dass er ihn wirklich sehr liebt, aber bitte noch nicht hinweggenommen werden möchte, bleibt zum Schluß die Erkenntnis, da vorne auf dem Fahhrad, als er mit seinem Vater zurückradelt:

Er liebt seinen Vater viel viel mehr als Gott.

Den Tod des Vaters mit all seinen Herausforderungen verarbeitet Maarten 't Hart in dieser sensiblen Rückschau auf das letzte halbe Jahr des alten Friedhofgärtners, dem der Tod Beruf war, noch mehr: das Leben. (Hinreißend sinnbildliche und auch urkomische Friedhofsepisoden werden erinnert.)

Und trotzdem ist das Sterben eine große Herausforderung, für Vater und Sohn.

Der Sohn möchte es im Prozeß des Schreibens leisten: diese alte absolute Sicherheit wiederzufinden, wie damals auf dem Fahrrad auf dem Deich. Vielleicht möchte er auch Gott wiederfinden, den er als Kind glaubte verraten zu haben. Es bleibt offen.

Nur eines bleibt nicht offen: die Liebe, die er zu seinem Vater fühlt. Erinnert. Im Schreiben wieder auferstehen läßt.

Viele Facetten mehr enthält dieses Buch, das aufgebaut wie eine Fuge vom großen Bachliebhaber t`Hart mit viel Liebe zu Natur, Musik und Poesie eine ganz besondere Komposition geworden ist. Eine durch und durch empfehlenswerte!

Maarten 't Hart: Gott fährt Fahrrad – Piper Verlag, 8,90 Euro


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Meike Lalowski




[This message has been edited by Meike Lalowski (edited 12 July 2003).]
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